Ernährungskrise, Klimawandel, Zukunft
Genome Editing ist eine fortschrittliche Gentechnik, die Pflanzen-DNA präzise verändert. Sie kann Allergene reduzieren, Resistenz gegen Wetterextreme steigern und dauerhaft auch die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung sichern. Ein überholtes EU-Gesetz und das Siegel „Ohne Gentechnik“, das unnötig Ängste schürt, stehen dem entgegen.
Die Weltbevölkerung wächst rasant. Man rechnet damit, dass 2050 über neun Milliarden Menschen auf der Erde leben werden. Bereits in den letzten 20 Jahren ist die Weltbevölkerung stark angestiegen, gleichzeitig hungern heute weniger Menschen als damals. Doch immer noch sind mehr als 800 Millionen Menschen unter- oder fehlernährt.
Bis alle Menschen Zugang zu ausreichend und qualitativ guten Nahrungsmitteln haben, braucht es auch weitere Anstrengungen. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass sich die Nachfrage nach Lebensmitteln bis 2050 verdoppelt. Die Anbauflächen sind jedoch vielerorts rückläufig. Gründe dafür sind die fortschreitende Urbanisierung, Erosion, Versalzung und Versiegelung. Diesen globalen Herausforderungen zu begegnen, ist eine gemeinsame politische Kraftanstrengung.
Klimawandel und Schädlinge: Bedrohung der Ernte
Das bedeutet, die Landwirtschaft muss auf begrenzter Fläche immer mehr Nahrungsmittel produzieren, damit genug für alle da ist. Extremwetterlagen, Pflanzenkrankheiten und Schädlingesind reale Bedrohungen für die Ernte. Auch in unseren Breiten verändert der Klimawandel die Bewirtschaftung.
Stärkere Ertragsschwankungen und neue Schädlinge und Krankheiten am Getreide sind schon Realität. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, kann moderne Pflanzenzüchtung einen wichtigen Beitrag leisten: So können in kurzer Zeit Pflanzen gezüchtet werden, die weniger Wasser, Dünger, Pflanzenschutzmittel, Licht oder Fläche benötigen und resistenter sind, zum Beispiel gegen Wettereinflüsse oder Bakterien.
Genome Editing: Schnitt am DNA-Strang von Pflanzen
In Amerika sind auf diese Art gezüchtete Pflanzen der Status quo. Eine der neuen biotechnologischen Züchtungsmethoden heißt Genome Editing. Dabei handelt es sich um eine naturidentische Methode, die schnell und präzise die DNA von Pflanzen verändert, um so in kurzer Zeit und sehr kostengünstig neue Sorten herzustellen.
Dabei wird der DNA-Strang einer Pflanze an einer bestimmten Stelle durchgeschnitten. Bei der Reparatur des Bruchs können DNA-Bestandteile ausgetauscht oder hinzugefügt werden. Das Genom kann so schneller und günstiger verändert werden als durch herkömmliche Verfahren.
EU-Gentechnikgesetz ist veraltet
Durch Genome Editing können Mutationen zielgerichtet (statt wie bisher in den klassischen Züchtungsverfahren zufällig) herbeigeführt werden. Am Ende ist die DNA-Sequenz von natürlichen Mutationen nicht zu unterscheiden. Und genau da liegt nun die Unsicherheit.
In Europa fallen so hergestellte Pflanzen unter das europäischeGentechnikgesetz und müssen damit reguliert werden wie gentechnisch veränderte Pflanzen, obwohl an den Pflanzen selbst kein Nachweis mehr für die verwendete Züchtungsmethode erbracht werden kann. Diese Rechtsunsicherheit hat Amerika gelöst, indem es auf diese Weise hergestellte Pflanzen behandelt wie herkömmliche Züchtungen. Diese Unterschiede in der Rechtsauffassung führen in der europäischen Praxis zu erheblichen Problemen.
Genome Editing: Reduktion von Allergenen und Gluten
Die Züchtungen nach den neuen Methoden haben den großen Vorteil, dass sie zum Beispiel die Reduktion von Allergenen oder auch Gluten ermöglichen. Das europäische Gentechnikrecht basiert allerdings noch auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Neunzigerjahre, die inzwischen längst überholt sind.
Auf Grundlage dessen hat der Europäische Gerichtshof 2018 entschieden, alle Mutagenese-Verfahren als Gentechnik einzustufen: nicht nur die klassischen, in denen chemische Substanzen und radioaktive Bestrahlung zum Einsatz kommen, sondern auch die neuen Genome-Editing-Verfahren mit der sogenannten „Genschere“. Damit die Chancen, die die neuen Methoden bieten, auch in Deutschland genutzt werden können, muss das europäische Gentechnikrecht dringend überarbeitet werden. Ansonsten wäre die logische Konsequenz eine Marktabschottung.
Anti-Gentechnik-Kampagnen hinterlassen Spuren
Obwohl die Wissenschaft sich einig ist, dass die so modifizierten Pflanzen nicht gesundheitsschädlich sind und sich sogar positiv auf die Umwelt auswirken, lehnt eine große Mehrheit der Deutschen sie ab, weil ihnen suggeriert wird, dass diese Verfahren gleichzusetzen sind mit der Gentechnik. Das ist falsch. Die Anti-Gentechnik-Kampagnen verschiedener Organisationen haben ihre Spuren hinterlassen.
Das Siegel „Ohne Gentechnik“, das als Marketinginstrument eingesetzt wird und suggeriert, ein Produkt ohne Gentechnik sei besser oder gesünder, verstärkt die Ängste der Menschen noch. Gentechnik wird als Eingriff in die Natur abgelehnt, weil man annimmt, Mutter Natur habe sich etwas dabei gedacht, eine Pflanze so und nicht anders zu erschaffen. Doch Züchtung, egal auf welche Art, beruht auf dem Veränderungsprinzip.
Gentechnisch veränderte Pflanzen können Ernährung weltweit sichern
Die Wissenschaft hat längst bewiesen, dass von gentechnisch veränderten Pflanzen keineswegs mehr Gefahr ausgeht als von klassischen Züchtungen. Im Gegenteil: Sie bringen etliche Vorteile und könnten uns helfen, die Ernährung der Weltbevölkerung dauerhaft zu sichern und die Lebensqualität von Allergikern zu erhöhen, indem Kulturpflanzen ohne bestimmte Allergene gezüchtet werden.
Deshalb setzen sich die Freien Demokraten im Bundestag für ein technologieoffenes Gentechnikrecht ein und kämpfen dafür, die Chancen neuer Methoden zu nutzen – so wie es andere Länder längst tun. Wir brauchen eine offene und breit angelegte Aufklärungskampagne über die Chancen dieser neuen Züchtungen. Andernfalls werden immer mehr gut ausgebildete Wissenschaftler ins Ausland abwandern und Deutschland macht sich schuldig daran, in Wohlstandsdebatten die Verantwortung für die Armen auf der Welt vergessen zu haben.
Der Artikel ist bei FOCUS Online erschienen.