Carina Konrad

Reaktivierung der Hunsrückbahn

Mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, ist in Zeiten ausufernder Klimaproteste eine populäre Forderung. Geld vom Bund gibt es außerdem dafür, also schreien die Herren Bürgermeister mal laut „hier“. Inwieweit eine Hunsrückbahn aber überhaupt Sinn ergibt, ob sie einer Kosten-Nutzen-Analyse standhalten würde, scheint sie wenig zu interessieren. Da wird der Zeitgeist über die Vernunft gestellt – als ob auch nur irgendein Arbeitnehmer künftig aus der Stadt in den Hunsrück pendeln würde, bloß weil es da jetzt eine Bahnstrecke gibt. Zumal die Strecke gegen den Strom mit dem Auto definitiv schneller zu bewältigen ist, und auch in die Gegenrichtung habe ich meine Zweifel: Zwar klingen die 63 min von Simmern nach Mainz zunächst einmal gut, doch unterschlägt man bei der Rechnung den Weg zum Bahnhof samt Wartezeit und ggf. Parkplatzsuche – und außerdem arbeitet nicht jeder in Mainz direkt am Hauptbahnhof. Wenn ich von dort etwa zum Lerchenberg muss, dürfte ich mit dem Auto selbst in der stark frequentierten Rushhour dennoch deutlich schneller sein als mit der Bahn – von den Kosten mal ganz zu schweigen. 

Der Rhein-Hunsrück-Kreis liegt relativ zentral in Rheinland-Pfalz und auch in Deutschland und Europa. Schon zu Zeiten der Römer führte die Ausoniusstraße durch den verkehrstechnisch wichtigen Hunsrück. Als einziger Landkreis in Rheinland-Pfalz haben wir einen Flughafen. Mit der Mittelrheinbahn verfügen wir über eine der am meisten frequentierten Bahnlinien. Die A61 und die neu ausgebaute B50 bieten auf der Straße schnelle Anbindungen in viele Richtungen, und wenn demnächst der Hochmoselübergang fertiggestellt wird, sind wir wirklich in alle Himmelsrichtungen gut angebunden.

Doch die Kreispolitik behandelt das Thema Mobilität seit Jahren zwar zeitintensiv, aber inhaltlich stiefmütterlich. Ein Wirrwarr aus unkoordinierten Einzelmaßnahmen lässt jeden ein Stück weiter denkenden Menschen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Nichts ist miteinander vernetzt! Da fährt in jedem Dorf alle zwei Stunden ein Bus, ohne zuvor mal den Bedarf zu ermitteln, da werden E-Autos für die Dörfer gekauft, ohne den Sinn der Maßnahme zu überprüfen; weder Bürgerbus noch Bahn oder Straßenverkehr sind in irgendeiner Weise aufeinander abgestimmt.

Wir haben im Rhein-Hunsrück-Kreis nicht die notwendige Bevölkerungsdichte, um die Hunsrückbahn auszulasten. Mobilität muss man landesweit denken, besser sogar bundesweit, denn die Menschen fahren nicht nur bis an die Grenze eines Landkreises. Statt unvernünftige Forderungen aufzustellen, bloß weil sie medienwirksam sind und dem Zeitgeist entsprechen, wäre es vernünftiger, endlich ein längst überfälliges Mobilitätskonzept für den ländlichen Raum zu erarbeiten, das sowohl bedarfsgerecht, als auch klimaschonend ist und zugleich alle Fortbewegungsmittel vom Fahrrad über Bus, Bahn und Auto bis hin zum Flugzeug mit berücksichtigt. Von den Chinesen, die innerhalb kürzester Zeit 1000 km Magnetschwebebahn bauen, können wir noch viel lernen. Wir müssen endlich größer denken und eine vernünftige Anbindung an das Schienennetz angehen.

Der Artikel erschien am 14.11.2019 in der Rhein-Hunsrück-Zeitung